Mit Stift, Block und Zan­gen dem Müll am Fluss auf der Spur

Schü­ler von Um­welt-AG und Pro­jekt­kurs be­tei­li­gen sich an EU-Ak­ti­on

„Hey, guckt mal, hier hat ei­ner die gan­zen lee­ren Fla­schen von ei­ner Par­ty hin­ge­schmis­sen“, ruft Ham­mad den an­de­ren aus der Grup­pe zu. Er zieht ei­ne Plas­tik­tü­te mit Wein­fla­schen und zahl­rei­chen klei­nen Schnaps­fläsch­chen aus dem Ge­büsch. Die an­de­ren stau­nen nicht schlecht, was man hier am Ha­se­ufer al­les so fin­den kann. Ins­ge­samt 10 Rats­schü­le­rin­nen und –schü­ler der Um­welt-AG und des Pro­jekt­kur­ses Nach­hal­tig­keit im Jahr­gang 5 sind an die­sem kal­ten Sams­tag­mor­gen als For­scher un­ter­wegs. Sie spü­ren im Os­ten Os­na­brücks an der Ha­se und in die­sem Fluss Müll auf. Plas­tik­müll vor al­lem. Ihr En­ga­ge­ment ist Teil ei­ner bür­ger­wis­sen­schaft­li­chen Ak­ti­on, die seit 2016 in ganz Deutsch­land läuft, ge­för­dert vom Bil­dungs- und Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­um. In­zwi­schen läuft das Pro­jekt so­gar in der gan­zen EU.

Pla­s­tic pi­ra­tes go eu­ro­pe – so heißt das Pro­jekt der EU. Die be­tei­lig­ten meist jun­gen For­sche­rin­nen und For­scher leis­ten, so heißt es im In­for­ma­ti­ons­ma­te­ri­al zu der Ak­ti­on, „ei­nen wich­ti­gen Bei­trag zur Er­for­schung des Zu­stands der eu­ro­päi­schen Flüs­se und des Aus­ma­ßes und der Ver­schmut­zung durch Plas­tik­müll“. In Deutsch­land ha­ben seit 2016 knapp 1400 Grup­pen an ver­schie­dens­ten Flüs­sen Ver­schmut­zungs­da­ten ge­sam­melt. Auf Ba­sis sol­cher Da­ten ist es leich­ter, Lö­sun­gen zu fin­den, wie sich die Ver­mül­lung von Flüs­sen und Mee­ren ver­hin­dern und ver­rin­gern lässt. „In Os­na­brück sind wir erst die zwei­te Grup­pe, die an der Ha­se Ver­schmut­zungs­da­ten sam­meln“, be­rich­ten Gui­do Va­ge­des und Ans­gar Koch, die Um­welt-AG-Lei­ter.

In vier Grup­pen ha­ben sich die Jung-For­scher an die­sem win­ter­li­chen Mor­gen im Stadt­teil Schin­kel auf­ge­teilt. Ou Fan ge­hört zur ers­ten Grup­pe. Auf ei­ner Län­ge von 50 Me­tern muss das Team erst drei ver­schie­de­ne Ufer­zo­nen aus­fin­dig ma­chen. In je­der Ufer­zo­ne muss die Grup­pe dann in glei­chen Ab­stän­den je­weils drei Krei­se mit ei­nem Durch­mes­ser von drei Me­tern mar­kie­ren und die­se Krei­se ge­nau nach Müll­tei­len ab­su­chen. Die An­zahl der Müll­fun­de muss dann für je­de der 9 Sta­tio­nen in ei­ne Ta­bel­le ein­ge­tra­gen wer­den, un­ter­schie­den nach sie­ben Müll­sor­ten. „In un­se­ren Krei­sen war nicht viel zu fin­den“, be­rich­tet Ou Fan der Re­por­ter­grup­pe, die sich an die­sem Mor­gen bei al­len Grup­pen um­hört. „Wir hat­ten nur drei Tei­le“.

Bei ei­ner an­de­ren Grup­pe kann das Re­por­ter­team mit Bryan, Da­ni­el, Ju­dith und der Be­treue­rin Ta­bea Fo­tos von ei­ner Müll­sor­tier­sta­ti­on ma­chen: Auf ei­ner gro­ßen Plas­tik­pla­ne sind die Mit­glie­der der zwei­ten Grup­pe da­bei Müll zu sor­tie­ren. Den ha­ben an­de­re Mit­glie­der der Grup­pe ent­fernt von der ers­ten Grup­pe in der Fluss­um­ge­bung ge­fun­den. Nicht nur Klein­tei­le wie Zi­ga­ret­ten­stum­mel oder Sü­ßig­kei­ten­ver­pa­ckun­gen wer­den an­ge­schleppt, son­dern auch grö­ße­re Fund­stü­cke: „Hier ha­ben wir z.B. ein Fahr­rad­schloss ge­fun­den – oder ein gro­ßes Sty­ro­por­teil“, zeigt Hen­ri die eher un­ge­wöhn­li­chen Fund­stü­cke. „Al­le nach Sor­ten ge­trenn­ten Müll­stü­cke müs­sen ge­nau ge­zählt und der An­teil an Ein­weg­plas­tik muss er­rech­net wer­den“, er­gänzt Leo­nard, der zu­sam­men mit Leo auch zu der Grup­pe ge­hört.

Ei­ne wei­te­re Grup­pe hat den Müll im Blick, der im Fluss schwimmt: Von ei­ner Brü­cke in der Nä­he aus ha­ben die drei For­scher Sa­mu­el, Ben­ja­min und Ham­mat ein Netz bis zur Was­ser­ober­flä­che her­ab­ge­las­sen. Ei­ne Stun­de bleibt das Netz in der Ha­se, das in die Ge­gen­rich­tung zur Fließ­rich­tung ge­öff­net ist und klei­ne Müll­tei­le auf­fan­gen soll. Auch die Fließ­ge­schwin­dig­keit müs­sen die drei und ihr Be­treu­er er­mit­teln: „Wir mes­sen drei­mal mit ei­ner Stopp­uhr, wie lan­ge ein ins Was­ser ge­schmis­se­nes Stöck­chen braucht, um 20 Me­ter wei­ter zu trei­ben“, er­klä­ren Ben­ja­min und Sa­mu­el. Die 20-Me­ter-Di­stanz tei­len die Müll­de­tek­ti­ve dann durch den Mit­tel­wert der Mes­sun­gen in Se­kun­den ge­teilt wer­den; da­mit steht die Fluss­ge­schwin­dig­keit fest. Da­ne­ben bleibt die­sen For­schern noch Zeit, um die zwei­te Grup­pe beim Müll­sam­meln zu un­ter­stüt­zen. Auch das Re­por­ter­team hat ne­ben noch an­de­re Auf­ga­ben als Fo­tos zu ma­chen und Ein­drü­cke zu sam­meln, näm­lich mög­li­che Müll­quel­len auf­zu­spü­ren. In­dus­trie? Il­le­gal ab­ge­la­de­ner Müll? Über­füll­te Müll­ton­nen? „Nur Par­ty­müll, ver­mut­lich aus dem Som­mer war hier ei­ne Müll­quel­le“, be­rich­ten By­an und Da­ni­el.

Am En­de des Vor­mit­tags kön­nen die Re­por­ter die Bi­lanz no­tie­ren, säu­ber­lich ein­ge­tra­gen in ei­ne Ta­bel­le. 157 Müll­stü­cke ins­ge­samt ka­men zu­sam­men, 41 da­von Ein­weg­plas­tik. Im Netz in der Ha­se war da­ge­gen nichts ge­lan­det, auch trei­ben­der Müll war nicht zu se­hen. Aber auch das ge­hört zur Bi­lanz: Vie­le halb ein­ge­fro­re­ne Fü­ße. Und in­ter­es­san­te Er­fah­run­gen, v.a. mal ge­se­hen zu ha­ben, wie Bür­ger­wis­sen­schaft­ler so ar­bei­ten und was in ei­nem Nah­erho­lungs­ge­biet so al­les in die Ge­gend ge­wor­fen wird.

Ei­ne Müll­sor­tier­sta­ti­on ent­steht hier auf die­ser Pla­ne – mit lau­ter Ab­fall vom Ha­se­ufer in der Nä­he der Min­de­n­er­stra­ße in Os­na­brück.

Ein Netz zum Auf­fan­gen klei­ner Müll­tei­le, die in der Ha­se schwim­men, las­sen Sa­mu­el, Ben­ja­min und Ha­mad (v.l.) gleich bis an die Ober­flä­che des Flus­ses her­un­ter.
Das Team der Pla­s­tic-pi­ra­tes vom Rats­gym­na­si­um: die zwei­te Os­na­brü­cker Grup­pe, die an der EU-wei­ten Ak­ti­on bis­her teil­ge­nom­men hat.

Text & Fo­tos: Gui­do Va­ge­des

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2560 1920 Ratsgymnasium Osnabrück
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